Skurril, grotesk, absurd erscheint Nikias Chryssos Debütfilm DER BUNKER auf den ersten Blick. Doch dem Film geht es um mehr als verstörende Bilder und cineastischen Konventionsbruch.
Ein Bunker – ein Bauwerk, das als Abschottung vor äußeren Gefahren errichtet wird. Genau in jener Baulichkeit lebt eine Familie in ihren ganz eigenen bizarren Familienstrukturen. Hier ziehen klassisch Mutter und Vater ihren vermeintlich achtjährigen Sohn Klaus auf, der optisch unschwer erkennbar, jedoch bereits das Aussehen eines 30 jährigen besitzt. Abgeschottet und fernab aller gesellschaftlichen Konventionen genießt das Söhnchen dort den Privatunterricht und die Weltanschauungen des Vaters. Dieser möchte Klaus zu intellektuellen Höchstleistungen motivieren – überall weltweit einsatzfähig solle er sein. Schließlich müsse sein Junge eines Tages nichts Geringeres als Präsident werden und ins Weiße Haus einziehen. Gerne darf diesem väterlichen Bestreben mit anachronistischen Pädagogikformen nachgeholfen werden, wie dem Bambusstock, der für Nichtgehorsam immer unter der Karte im privaten Klassenzimmer des Hauses einsatzbereit liegt. Klaus ist von den Ansprüchen seiner Eltern völlig überfordert.
An der Rahmenhandlung ist bereits die psychologische Tiefe dieses Familiendramas mit subtilen Gruselelementen zu erkennen. Denn Entwicklungspsychologisch ist es für Klaus unmöglich in dieser sozialen Isolation, in der elterlichen Bunker-Einöde, eine eigene Persönlichkeit zu entfalten. Der Einfluss des pseudointellektuellen Vaters und das strenge Regiment der Mutter halten Klaus Selbstkonzept klein, so klein wie die klaustrophobischen Zustände in den Räumlichkeiten des Bunkers. Erst als eines Tages der Student (namenlos) in die familiäre Festung einzieht, um sich in der landschaftlichen Abgeschiedenheit in Ruhe seiner wissenschaftlichen Arbeit zu widmen, bekommen die verkrusteten Familienverhältnisse erste Risse, denn von nun an soll der Student Klaus unterrichten. Beide verbrüdern sich jedoch und Klaus fängt an einen eigenen Charakter mit ganz individuellen Eigentümlichkeiten aufzubauen, was für alle Protagonisten in dem irrwitzigen Kammerspiel fatale Folgen nach sich zieht.
Nikias Sykross sagt über seinen Film, dass dieser ein lustiger Alptraum sei. Und der Spiegel, dass jener Streifen eine Mischung aus David Lynch und Helge Schneider darbiete. In der Tat, dieser Film besitzt die sphärischen Elemente eines klassischen Lynchs, den Anarchohumor von Helge Schneider und die Empfindsamkeit eines Familiendramas, mit ganz viel Liebe zum Detail – made in Germany.
von Werner Rietzschel